BSG veröffentlicht Urteil zu Trans*gesundheitsversorgung

Im Oktober 2023 hatte das Bundessozialgericht (BSG) die Klage einer nicht-binären Person abgewiesen. Die Person wollte, dass ihre gesetzliche Krankenkasse die Kosten für eine beidseitige Mastektomie übernimmt.

Am Wochenende wurde nun die schriftliche Urteilsbegründung veröffentlicht.

Der BVT* hat dazu folgendes Statement veröffentlicht, dass auch als Pressemitteilung veröffentlicht wurde und hier heruntergeladen werden kann:

Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei nicht-binären Personen: Schriftliches Urteil ist veröffentlicht

Das Urteil des BSG (Bundessozialgericht) vom 19.10.2023 (B 1 KR 16/22 R) in einem Verfahren zur Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei nicht-binären Personen liegt nun in schriftlicher Form vor. Das Urteil wurde bereits im vergangenen Oktober in mündlicher Form verkündet und weist die Klage der nicht-binären Person ab. In dem Verfahren streiten eine nicht-binäre Person und eine gesetzliche Krankenkasse um die Kostenübernahme einer beidseitigen Mastektomie. 

In dem nun veröffentlichten Urteil argumentiert das Gericht, dass es sich bei geschlechtsangleichenden Maßnahmen für nicht-binäre Personen um eine neue Behandlungsmethode handele. Einerseits sei dies laut dem Gericht darin begründet, dass keine Annäherung an einen männlichen bzw. weiblichen Phänotyp angestrebt werde. Andererseits wurde ausgeführt, dass die Orientierung an den wissenschaftlichen Leitlinien für Trans*gesundheit (S3-Leitlinie “Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung und Behandlung”) an sich eine neue Behandlungsmethode darstellen. Als entscheidend nimmt das Gericht an dieser Stelle wahr, dass in den Leitlinien eine partizipative Entscheidungsfindung zwischen Ärzt*innen und behandlungssuchenden Personen empfohlen wird. Bevor eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen für eine neue Behandlungsmethode möglich sei, müsse erst eine Richtlinie bzw. Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vorliegen, so das Gericht.

Dazu sagt Dr. Tuuli Reiss vom Bundesverband Trans*: “Es besteht ein breiter Konsens, dass selbstbestimmte Transitionswege für die Gesundheit, das psychische Wohlbefinden und gesellschaftliche Teilhabe für trans* und nicht-binäre Personen grundsätzlich erforderlich sind. Hierfür ist es notwendig, dass Gesundheitsversorgung und die Kostenübernahme durch die GKV klar und im Sinne der behandlungssuchenden Personen geregelt sind. Die partizipative Entscheidungsfindung (informed consent) als eine neue Behandlungsmethode zu betrachten, ist schwer nachvollziehbar, da diese Praxis seit vielen Jahren in der medizinischen Versorgung verankert ist. Das Urteil des Bundessozialgerichts lässt dies außer Acht.”

Bereits im vergangenen Herbst hatte sich der Bundesverband Trans* auf die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts hin geäußert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Formulierung, was unter ‘begonnen Behandlungen’ zu verstehen sei, unklar ist und für Verunsicherung sorgt. Diese Unklarheit bleibt weiterhin bestehen. Mit Blick auf die Auswirkungen des Urteils auf die Trans*gesundheitsversorgung heißt es abschließend im ausformulierten Text, dass “die KKn für bereits begonnene Behandlungen von Transsexuellen aus Gründen des Vertrauensschutzes die Kosten wie bisher weiterhin zu übernehmen haben.” 

“Das Urteil des Bundessozialgericht ist ein Appell an die Politik. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Trans*gesundheitsversorgung zu stärken. Durch das Urteil des BSG herrschen in den betroffenen Communities nun stattdessen Sorge und Unsicherheit – mitsamt all den emotionalen und psychischen Belastungen, denen eine ohnehin schon vulnerable Gruppe dadurch ausgesetzt werden. Dies gilt für trans* Männer, trans* Frauen und nicht-binäre Personen gleichermaßen. Es ist nun dringend erforderlich, dass von politischer Seite diskriminierungsfreie und wissenschaftlich zeitgemäße Regelungen zur Kostenübernahme getroffen werden“, so Dr. Tuuli Reiss weiter.

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