Die Deutsche Aidshilfe hat heute einen „Weckruf zum Weltaidstag“ veröffentlicht. Der BVT* gehört zu den Erstunterzeichner*innen des Weckrufs und schließt sich der Forderung an: „Verhindert die Rückkehr von Aids!“
Aus dem Text des Weckrufes der Deutschen Aidshilfe:
„Schweigen = Tod“ lautete einer der wichtigsten Slogans in der Aidskrise der 80er und 90er Jahre. Heute gilt dieser Satz erneut: Die Aids-Pandemie droht wieder zu erstarken. Aufgrund weltweiter finanzieller Kürzungen sind Millionen Menschenleben in Gefahr.
Seit der Aidskrise hat die Weltgemeinschaft Beachtliches geleistet: Es gibt lebensrettende Medikamente gegen das HI-Virus. Diese sind heute wirksamer und günstiger denn je. Unter Therapie ist HIV nicht mehr übertragbar. Präventionsprogramme wirken.
Die Folge: Immer weniger Menschen sind an Aids gestorben, immer weniger haben sich infiziert. Immer mehr Menschen leben lange und gut mit HIV.
Das weltweite Engagement gegen Aids war so erfolgreich, dass UNAIDS das Ziel ausrief, Aids bis zum Jahr 2030 zu beenden. Aber nun steht alles wieder auf dem Spiel. Eine verhängnisvolle Rückwärtsbewegung hat eingesetzt und könnte bald zu einer Katastrophe führen: dem Wiedererstarken der Aids-Epidemie.
Robin Ivy Osterkamp aus dem Vorstand des Bundesverband Trans* sagt dazu: „Wir erleben gerade, wie fragile Errungenschaften im globalen Kampf gegen HIV und Aids ins Wanken geraten. Für trans* und nicht-binäre Menschen, die bereits jetzt mit strukturellen Barrieren im Gesundheitssystem konfrontiert sind, wären weitere Rückschritte verheerend. Es geht nicht nur um medizinische Versorgung – es geht um das Recht auf Leben, Würde und gleiche Teilhabe. Wir fordern die politischen Entscheidungsträger*innen auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und jetzt zu handeln, bevor es zu spät ist.“
Für trans* und nicht-binäre Personen ist die Entwicklung besonders beunruhigend. Weltweit zeigt sich, dass trans* und nicht-binäre, aber auch insgesamt LSBTIQ*-Communities überdurchschnittlich stark von HIV betroffen sind – nicht aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung, sondern aufgrund struktureller Diskriminierung, mangelnder Gesundheitsversorgung und sozialer Ausgrenzung. In vielen Ländern haben trans* und nicht-binäre Personen kaum Zugang zu Gesundheits-diensten, erleben Fehlversorgung oder Stigmatisierung im Gesundheitssystem. Dies erschwert Prävention, regelmäßige Tests und den Zugang zu lebensnotwendigen Therapien erheblich. Die aktuelle globale Finanzierungskrise bedroht u.a. genau die Programme, die trans* und nicht-binären Personen eine bessere Gesundheitsversorgung ermöglicht haben. Wenn diese Strukturen wegbrechen, trifft das also trans* und nicht-binäre Communities – und unter diesen insbesondere mehrfachmarginalisierte Communities – mit besonderer Härte. Besonders gefährdet sind dabei Personen, die weiteren Diskriminierungsverhältnissen wie Sexarbeiter*innenfeindlichkeit, Transmisogynie, Rassismen oder Behindertenfeindlichkeit ausgesetzt sind oder in Armut leben. Der Kampf gegen HIV/Aids ist deshalb auch ein Kampf für Selbstbestimmung und Gesundheit von trans* und nicht-binären Personen weltweit.
Der Weckruf der Deutschen Aidshilfe benennt die Ursachen deutlich:
Es begann Anfang dieses Jahres mit dem drastischen Rückzug der USA aus der internationalen Förderung von Gesundheit und Entwicklung. Doch das war nur der Anfang: Statt die Lücken zu schließen, haben andere Länder, darunter Deutschland, ebenfalls Kürzungen angekündigt. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ist massiv geschwächt. Die EU hat die Förderung von HIV-Projekten fast vollständig eingestellt. UNAIDS soll bis Ende 2026 abgewickelt werden. In vielen Ländern werden nun Menschen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten verlieren oder müssen dies fürchten. Ohne Medikamente wird HIV wieder übertragbar. Prävention ist vielerorts schon jetzt nicht mehr möglich. Die Infektionszahlen werden wieder drastisch steigen. Ganze Länder und Gesundheitssysteme werden dem HI-Virus wieder machtlos gegenüberstehen. Wie vor 40 Jahren – mit dem Unterschied, dass wir heute alles haben, um Leben zu retten.
Der Weckruf appelliert daher an die deutsche Bundesregierung und alle Regierungen der Welt:
- Verdrängen und verschweigen Sie diese Gefahr nicht länger! Erkennen Sie an, dass sich vor unseren Augen eine Tragödie anbahnt, die wir verhindern könnten.
- Setzten Sie sich umgehend für Lösungen ein! Jedes Land muss sich seiner Wirtschaftskraft entsprechend beteiligen. Sorgen Sie für einen angemessenen Beitrag zu den globalen Maßnahmen gegen HIV/Aids!
- Stärken Sie internationale Zusammenarbeit! Diese Krise kann die Welt nur gemeinsam bewältigen. Sorgen Sie auf internationaler Ebene dafür, dass endlich mit einem ernstzunehmenden Krisenmanagement begonnen wird und dass internationale Programme und Netzwerke erhalten bleiben.
Robin Ivy Osterkamp vom BVT* sagt dazu weiter: „In den vergangenen Jahrzehnten wurde weltweit dafür gekämpft, die Aids-Epidemie einzudämmen – und dieser Einsatz hat gewirkt: Unzählige Menschenleben konnten gerettet werden. Es wurden tragfähige Versorgungssysteme aufgebaut, und wir haben gelernt, dass sich globale Gesundheitskrisen bewältigen lassen, wenn wir solidarisch handeln und die betroffenen Communitys in den Mittelpunkt stellen. Die internationalen Fortschritte im Kampf gegen Aids waren ein Meilenstein der globalen Gesundheitspolitik. Jetzt gilt es, diese Errungenschaften zu verteidigen. Um das Menschenrecht auf Gesundheit und Würde zu sichern, braucht es entschiedenes politisches Handeln und ausreichend finanzielle Ressourcen – und zwar jetzt! Denn die alte Gleichung gilt nach wie vor: Schweigen = Tod.“
Zum Weiterlesen:
Der Weckruf der Deutschen Aidshilfe kann in seiner kompletten Version hier abgerufen werden. Dort findet sich auch eine Liste der Erstunterzeichner*innen, zu denen auch der BVT* gehört.