Enttäuschendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Trans*elternschaft

Heute gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verschiedene Urteile bekannt, welche die Rechte von trans* Eltern betreffen. In mehreren Verfahren gegen Deutschland, an welchen trans* Eltern sowie deren Kinder beteiligt waren, wurde gegen die Verweigerung des korrekten Geschlechtseintrags und Vornamens in den Geburtsurkunden der Kinder Beschwerde geführt. Darunter waren sowohl das Verfahren eines trans* Mannes, der ein Kind geboren hatte, als auch das Verfahren einer trans* Frau, die ein Kind gezeugt hatte.

Der Gerichtshof betonte in seinem Urteil, dass keine Verletzung der Grundrechte durch das Gericht festgestellt werden konnte. Eine falsche Eintragung in den Geburtsurkunden liege laut dem Urteil im Ermessenspielraum des deutschen Staates. Vor allem mit Blick auf die Wahrhaftigkeit der Personenstandsregister und das Kindeswohl gäbe es ein nachvollziehbares Interesse des Staates, trans* Personen mit abgelegtem Geschlechtseintrag und Vornamen einzutragen, so das Gericht.

„Das heutige Urteil macht wütend und ist enttäuschend. Das Argument, dass eine falsche Eintragung dem Kindeswohl entspricht, ist falsch. Es ist nicht im Interesse des Kindes, wenn ich als ‚Mutter‘ in der Geburtsurkunde auftauche. Es zeigt sich ganz deutlich ein antiquiertes Familienbild. Trans* und nicht-binäre Personen haben ein Recht darauf, Eltern zu werden und Familien zu gründen.“, sagte Oliver Hanke°, einer der Beschwerdeführer*innen in dem Verfahren.

Dem Urteil geht eine jahrelange Wartezeit und Auseinandersetzung mit Gerichten voraus. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Beschwerden abgewiesen hatte, waren die Beschwerde von Oliver Hanke und dessen Kind seit 2018 vor dem Gerichtshof in Straßburg anhängig. Aus elterlicher Perspektive war darin argumentiert, dass die falsche Eintragung in die Geburtsurkunde des Kindes das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK) verletze. In diesem Zusammenhang sei außerdem die Anerkennung der geschlechtlichen Identität, das Recht am eigenen Vornamen sowie das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht gewahrt. Auch aus Perspektive des Kindes liege eine Grundrechtsverletzung in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK vor, hieß es in den Beschwerden weiter. Die korrekte Eintragung in die Geburtsurkunde sei auch wichtig für die Kinder der trans* Eltern, um Diskriminierung zu vermeiden und gleichberechtigt behandelt zu werden.

Dazu erklärte Garri°, eines der beschwerdeführenden Kinder und mittlerweile zehn Jahre alt: „Ich weiß, wo ich herkomme und wie meine Familie aussieht. Und ich finde es unglaublich, dass die Regierung es mein ganzes Leben lang nicht geschafft hat, das anzuerkennen.“

Der Bundesverband Trans* hatte die Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durch Stellungnahmen begleitet. Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* fügte mit Blick auf das Urteil abschließend hinzu: „Das Gerichtsurteil aus Straßburg wurde seit Jahren erwartet und schafft Bewusstsein für die Situation von trans* Eltern. Es ist sehr schmerzhaft, dass das Urteil die Auswirkungen von Zwangsoutings und Deadnaming auf das Leben von trans* Eltern und ihrer Kinder nicht anerkennt. Wir fordern mit Nachdruck: Die grundlegenden Rechte von trans* Eltern und ihren Kindern müssen geschützt werden. Diese drängende Frage kann nicht allein den Gerichten überlassen werden. Jetzt ist politische Initiative gefragt. Es ist längst überfällig, das deutsche Abstammungsrecht so anzupassen, damit trans* Eltern in ihrer Geschlechtsidentität anerkannt werden. Außerdem ist notwendig, das diskriminierende Transsexuellengesetz abzuschaffen und die rechtliche Anerkennung des Geschlechts durch Selbstbestimmungsgesetz in allen Lebensbereichen zu gewährleisten.“

° Die Namen der beschwerdeführenden Personen wurden für diese Pressemitteilung geändert.

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