Trans Day of Remembrance: Diskriminierung und Gewalt müssen enden

Am Samstag, 20.11., gedenken die Trans*communities ihrer Toten: Es ist der Trans Day of Remembrance (TDOR). Begründet 1999 erinnert der Tag an die trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen, die durch Gewalt aus dem Leben gerissen wurden. Das Trans Murder Monitoring, das Morde an trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen erfasst, berichtet das zweite Jahr in Folge von steigenden Zahlen – mit einem Höchststand im Jahr 2021.

Noch nie waren die Zahlen höher als dieses Jahr: 375 Morde an trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen zählt das Trans Murder Monitoring Projekt (TMM) in den vergangenen 12 Monaten weltweit. Im Jahr 2008 hat das Projekt der Menschenrechtsorganisation TGEU mit der Datenerhebung begonnen. Dieses Jahr wurden die bisher höchste Zahl gemeldet. Im Jahre 2019 wurden 331 Morde gezählt, 2018 waren es 369, Anfang der 2010er Jahre waren es deutlich weniger mit beispielsweise 238 im Jahr 2013.

Jedes Jahr sterben trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen durch Gewalt – und jedes Jahr zeigt sich, dass besonders trans* Frauen oder trans*feminine Personen, die Schwarz, indigen oder of Colour sind, zum Ziel tödlicher Attacken werden, besonders wenn sie Asylstatus haben. Viele der Getöteten haben Migrationsgeschichte, viele sind Sexarbeiter_innen: Besonders das Zusammenwirken von Trans*feindlichkeit, Trans*misogynie, Rassismus und Sexarbeiter_innenfeindlichkeit tötet.

Im Durchschnitt waren die Getöteten zum Zeitpunkt ihres Todes 30 Jahre alt, wobei die jüngste Person 13 und die älteste Person 68 Jahre alt war. 36% der berichteten Morde fanden auf offener Straße statt, 24% in den Wohnungen der Getöteten.

Kalle Hümpfner vom BVT* sagt dazu: „Der erneute Höchststand an gemeldeten Mordfällen stimmt uns sehr besorgt. Während viele Gesellschaften auf den ersten Blick immer mehr Akzeptanz zu entwickeln scheinen und die Anliegen von trans* Personen breiter diskutiert werden, ist ein Höchststand an Morden gemeldet worden. Diese Gewalt betrifft nicht alle trans* Personen gleichermaßen. Vor allem trans* Frauen und trans*feminine Personen, die neben Trans*feindlichkeit auch Rassismus erfahren, sind in Deutschland besonders gefährdet, schwere körperliche Angriffe bis hin zu Mordversuchen zu erfahren. Es müssen mehr Angebote geschaffen werden, um diese Personen nach Gewalterfahrungen zu unterstützen. Gleichzeitig brauchen wir gesamtgesellschaftlich mehr Aufklärung und die kontinuierliche Förderung von Initiativen, die sich gegen Hasskriminalität engagieren. Diese Gewalt muss aufhören.“

So erschreckend die Zahlen auch sind, sie bilden nur die Spitze des Eisbergs ab: Es werden lange nicht alle Morde erfasst. Die Zahlen des Trans Murder Monitorings stammen überwiegend aus Staaten, in denen es gut vernetzte LSBTIQ*-Organisationen gibt. Viele Morde an trans* und nicht-binären Personen werden zudem nicht erfasst, weil die Personen nicht als trans* oder nicht-binär wahrgenommen werden. In vielen Staaten wird nur das zum Todeszeitpunkt eingetragene Geschlecht erfasst.

Die Zahlen des Trans Murder Monitorings spiegeln auch gesellschaftliche Entwicklungen wieder: Besonders in den USA haben in den vergangenen Monaten immer wieder anti-trans* Gesetzesvorhaben Schlagzeilen gemacht. Gleichzeitig verdoppelten sich die gemeldeten Morde in den USA im Vergleich zu 2020.

Am Trans Day of Remembrance (TDOR) geht es aber nicht nur um Gewalt, die im Mord endet. Die Communities gedenken auch den Personen, die durch weniger greifbare Gewaltformen gestorben sind und deswegen in keiner Statistik erfasst werden: Trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen sind in allen Lebensbereichen starker Diskriminierung ausgesetzt. Folgen der Diskriminierung können Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit oder soziale Isolation, aber auch Depression oder Suizidalität sein. Diese Zusammenhänge werden oft nicht anerkannt. Daher werden die auslösenden Faktoren für Suizide nicht in der Gesellschaft und den Lebensumständen gesucht. All dies senkt die Lebenserwartung von trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen.

Der TDOR ist ein Tag der Trauer: Ein Tag, um an alle Personen zu erinnern, die durch trans*feindliche Gewalt aus dem Leben gerissen wurden. Es ist ein Tag, an dem Mahnwachen und Trauermärsche abgehalten werden. Tans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen kommen zusammen, um gemeinsam zu trauern, sich gegenseitig Halt zu geben und enger zusammenzuwachsen.

Der TDOR ist aber auch ein Tag der Wut: Zu viele trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen sterben zu früh, zu viele erfahren Gewalt. Trans*feindlichkeit, Trans*misogynie, Rassismus, Sexarbeiter_innenfeindlichkeit und andere Marginalisierungsverhältnisse müssen konsequent kritisiert und abgebaut werden.

Der TDOR markiert zudem das Ende der Trans*awareness-Woche: Sie soll trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen und ihre Leben ins Zentrum rücken. Sie soll zeigen, dass nicht nur Gewalt, Tod und Trauer die Lebensrealitäten von trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen ausmachen. Um zu erreichen, dass die Lebensrealitäten von trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen weniger von Gewalt und Diskriminierung bestimmt werden, brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung von allen, auch von denen, die keine Diskriminierung oder Marginalisierung erfahren. Am TDOR und an jedem anderen Tag.

Das komplette Statement kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Weiterführende Informationen:

Der TDOR geht zurück auf eine Mahnwache, die eine kleine Gruppe von Personen am 20.11.1999 ausrichtete. Die Veranstaltung gedachte Rita Hester, einer Schwarzen trans* Frau, die ermordet worden war. Die Berichterstattung über das Verbrechen hatte Hester und das Verbrechen auf eine unwürdige Art und Weise dargestellt. Personen aus ihrem Umfeld wollten Hester mit der Mahnwache gedenken, aber auch der medialen Darstellung etwas entgegensetzen.

Zusammenfassend die zentralen Ergebnisse des Trans Murder Monitorings 2021:

Die Daten des TDOR 2021 zeigen, dass:

  • 375 trans- und gender-nonkonforme Menschen wurden ermordet, 7 % mehr als in der TMM-Aktualisierung 2020
  • 96 % der weltweit Ermordeten waren trans* Frauen oder trans*weibliche Personen;
  • 58 % der ermordeten trans* Personen, deren Beruf bekannt ist, waren Sexarbeiter_innen
  • Die Zahl der Morde an trans* Personen in den Vereinigten Staaten hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt; 89 % der dort ermordeten trans* Personen sind Schwarz, indigen oder of Colour;
  • 43 % der in Europa ermordeten trans* Personen hatten Migrationsgeschichte;
  • 70 % aller registrierten Morde fanden in Mittel- und Südamerika statt;
  • 36 % der Morde geschahen auf der Straße und 24 % in den eigenen vier Wänden der Personen;
  • Das Durchschnittsalter der Ermordeten liegt bei 30 Jahren, wobei die jüngste Person 13 Jahre und die älteste Person 68 Jahre alt gewesen ist.
  • Erstmalig wurden Fälle aus Griechenland, Kasachstan und Malawi gemeldet.

Weitere Informationen zum Trans Murder Monitoring sind zu finden unter https://transrespect.org/en/tmm-update-tdor-2021/

Eine querformatige Grafik mit helllila Hintergrund. Darauf steht in dunklem Lila: Daten des Trans Murder Monitoring für den Zeitraum 1.10.2020 bis 30.09.2021: 375 Morde an trans* und genderdiversen Menschen registriert. 58% der Personen, deren Beruf bekannt ist, waren Sexarbeiter_innen, 96% der weltweit getöteten waren trans* Frauen oder Femmes, 89% der getöteten in den USA waren People of Colour, 43% der in Europa getöteten Personen waren Migrant_innen. Ort: 36% auf der Straße, 24% eigene Wohnung. Alter: Durchschnittlich 30 Jahre alt, jüngste Person 13 Jahre alt. #TDOR2021