Seit Monaten verschärft sich die Diskussionsatmosphäre auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter). Der Bundesverband Trans* beendet nun nach einem trans*feindlichen Shitstorm seine Präsenz bei X mit Verweis auf die explizite Ablehnung von Anti-Diskriminierungsstandards durch das Unternehmen.
Im Rahmen einer Social-Media-Kampagne der CEDAW-Allianz – einem Bündnis gegen geschlechtsspezifische Gewalt aus 34 zivilgesellschaftlichen Organisationen, inklusive des BVT* – hatte sich Tuuli Reiss als Referent*in für Gesundheitspolitik und Gewaltschutz im Namen des BVT* für den gemeinsamen Einsatz gegen Sexismus und für geschlechtliche Vielfalt ausgesprochen. Dieses Statement war Anlass für zahlreiche trans*feindliche Hasskommentare, die sich sowohl gegen di*en Referent*in persönlich als auch den BVT* allgemein richteten.
Dazu erklärt Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*: „Der Shitstorm zeigt das schockierende Ausmaß von trans*feindlicher Hassrede und Diskriminierung, dem insbesondere trans*feminine Personen im Internet ausgesetzt sind. Unser Ausstieg bei Twitter/X ist eine klare Botschaft an die Öffentlichkeit, dass wir uns der gewaltvollen Diskussionsatmosphäre, die sich auf der Plattform normalisiert hat, nicht mehr länger aussetzen. Wir sind nicht die ersten, die diese Entscheidung treffen. Wir rufen alle sozialen Medienplattformen dazu auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und entschlossen gegen Hassrede und Diskriminierung vorzugehen. Der Schutz vor Gewalt und Diskriminierung insbesondere für marginalisierte Personen muss höchste Priorität haben.“
Der Schließung des Accounts gehen längere Vorüberlegungen und interne Diskussionen im Bundesverband Trans* voraus. Die Zunahme von trans*feindlicher Hassrede sowie der Abbau des Diskriminierungsschutzes seit der Übernahme des Unternehmens durch Elon Musk sind in die Entscheidung ebenfalls eingeflossen. Anfang April 2023 hatte das Unternehmen die Community-Guidelines überarbeitet, sodass Misgendern und Deadnaming nicht mehr länger unter das Diskriminierungsverbot fielen. Im Juni erklärte Musk über seinen persönlichen Twitter-Account, dass der wiederholte Gebrauch des Wortes ‚cis‘ als Beleidigung gewertet wird und mindestens mit einer temporären Sperre bestraft werden könne. Im August war die zivilgesellschaftliche Organisation Center for Countering Digital Hate (CCDH) durch X wegen Rufschädigung verklagt worden, nachdem das Zentrum einen Bericht über die Zunahme von Hassrede auf der Plattform veröffentlicht hatte.
„Der aktuelle Shitstorm war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Bei X zeigt sich deutlich, dass Trans*feindlichkeit nicht nur als Hassrede einzelner Nutzer*innen toleriert wird. Trans*feindlichkeit ist dort vielmehr in den Strukturen verankert und wird durch die Aufweichung von ohnehin unzureichenden Anti-Diskriminierungsstandards weiter befeuert. In einem derartigen Umfeld können wir die Menschen, die uns haupt- und ehrenamtlich unterstützen, vor menschenfeindlichen Angriffen nicht mehr schützen. Daher haben wir bewusst entschieden, nicht weiter eine Plattform zu nutzen, die im Widerspruch zu unseren Anliegen steht, und unseren Einsatz für die Rechte und das Wohlbefinden von trans* und nicht-binären Personen auf andere Kanäle zu fokussieren“, führt Kalle Hümpfner abschließend aus.
Weiterführende Links:
- The Pink News: Elon Musk’s Twitter rolls back policy protecting trans users from misgendering and deadnaming
- Independent: Elon Musk promotes transphobic content as hate speech surges on his far-right platform
- Center of Countering Digital Hate (CCDH): Toxic Twitter – How Twitter Makes Millions from Anti-LGBTIQ* Rhethoric
- MediaMatters: Anti-LGBTQ hate has increased on Twitter since Elon Musk officially acquired the company
- MediaMatters: New data shows anti-LGBTQ content flourished on Twitter during Linda Yaccarino’s first month as CEO